Kick-off in Bern: Wie das NFP 82 Wissenschaft und Praxis für die Biodiversität vereint

Kick-off in Bern
© Marco Finsterwald / SNSF

Im November trafen sich Forschende, Praxispartner:innen und die Leitungsgruppe zum Kick-off des NFP 82. Zwei Tage voller Austausch, kritischer Reflexion und dem Willen, Biodiversitätsforschung wirksam zu machen.

18 Jahre hat es gedauert. Zweimal scheiterte ein Antrag für ein nationales Forschungsprogramm zur Biodiversität, einmal ein Antrag für ein Kompetenzzentrum. Als die nächste Ausschreibung kam, hatte Markus Fischer, Präsident des NFP 82 und Vorsteher des Instituts für Pflanzenwissenschaften der Universität Bern, eigentlich aufgegeben. Doch einen Tag vor Fristende schrieb er trotzdem. Seine Botschaft an die Versammelten: «Auch wenn die Chancen sehr klein sind und der Prozess sehr lang – einfach weitermachen.»

Schonungslose Bestandsaufnahme

Fischer eröffnete das Meeting im Fiul Space in Wabern mit einer klaren Diagnose: Global sind rund eine Million Arten bedroht. Die Aussterberate liegt zehnmal höher als bei den grossen Massenaussterben der Erdgeschichte. In der Schweiz sind bereits 42 Prozent der Populationen bedrohter Pflanzenarten verschwunden. «Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens», sagte Fischer. «Es liegt in unseren Händen, ob wir das zulassen.»

Überall gewinnen Generalisten, während Spezialisten verschwinden – mit direkten Folgen für die Ökosystemleistungen, von denen auch der Mensch abhängt: Bestäubung, Wasserfilterung, Klimaregulierung oder Bodenfruchtbarkeit. Die Treiber sind bekannt: intensive Landnutzung, Habitatfragmentierung, Verschmutzung, invasive Arten und der Klimawandel. Das Problem: Alle diese Treiber entwickeln sich aus Sicht der Biodiversität in die falsche Richtung.

Transformation als einziger Weg

Julia Leventon von CzechGlobe zeigte in ihrem Keynote-Vortrag, was transformativer Wandel konkret bedeutet: eine grundlegende systemweite Neuorganisation von Technologie, Wirtschaft und Gesellschaft – inklusive Paradigmen, Ziele und Werte. «Business as usual führt nirgendwohin», fasste Fischer die Szenarienanalysen zusammen. Nur Nachhaltigkeitsszenarien, die auf langfristige gesellschaftliche Transformation setzen, erreichen die internationalen Biodiversitätsziele.

15 Projekte in drei Themenfeldern

Am Nachmittag des ersten Tages präsentierten alle 15 Projektteams ihre Vorhaben in Drei-Minuten-Pitches. Die thematische Breite ist beeindruckend: Von der Landwirtschaft über Wasser- und Waldökosysteme bis hin zu Arten, Vegetation und Bildung. Das Programm gliedert sich in drei Module – Treiber und Trends, Bewertungen und Visionen sowie Governance und Transformation.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, was das NFP 82 besonders macht: Alle Projekte wurden von Beginn an gemeinsam mit Praxispartnern entwickelt. «Die Vielfalt der Disziplinen und Fallstudien ist ein enormer Reichtum», betonte Sandrine Petit-Michaut vom INRAE und Mitglied der Leitungsgruppe. Ziel sei nicht nur Wissen zu generieren, sondern «actionable knowledge» – Erkenntnisse, die direkt anwendbar sind.

Markus Fischer, Präsident Leitungsgruppe NFP 82
Markus Fischer, Präsident Leitungsgruppe NFP 82 © Marco Finsterwald / SNSF

Vertrauen braucht Zeit

Bastien Amez-Droz von Pro Natura unterstrich, dass echter Wandel nur durch Beziehungsarbeit entsteht: «Wir müssen bis zum Bauern, manchmal sogar bis zum Onkel des Bauern gehen. Man muss bereit sein, seine Handynummer zu geben. Dann entsteht Vertrauen.»

Die Erwartungen an das Programm sind hoch – und unterschiedlich. Christine Moos von der Berner Fachhochschule hofft auf «Empfehlungen, die wirklich umsetzbar sind und bereits Wirkung zeigen – auch wenn nur an kleinen Orten.» Melf-Hinrich Ehlers von Agroscope denkt grösser: «Vielleicht wird das Thema im nationalen Diskurs sichtbarer. Vielleicht haben wir einige Institutionen transformiert. Vielleicht sind neue Arten von Politik denkbar geworden.» Norbert Kräuchi vom Kanton Aargau mahnte zur Eile: «Die Synthese muss eigentlich heute starten und nicht erst in vier oder fünf Jahren, um alle an Bord zu halten.»

Dynamische Präsentationen
Dynamische Präsentationen: Jedes Projekt erhielt drei Minuten für einen überzeugenden Pitch. © Marco Finsterwald / SNSF

Lernen im Programm

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen der Zusammenarbeit. Christian Pohl von der ETH Zürich und Camilla Sandström von der Universität Umeå beleuchteten die Herausforderungen transdisziplinärer Forschung. Im World Café unter Anleitung von Transdisziplinaritätsexperte Léon Simon identifizierten die Teilnehmenden gemeinsam ihren Lernbedarf für die kommende Forschungsphase und legten die Grundlagen für erste Lerngruppen zu übergreifenden Themen.

Networking
Networking: Intensive Gespräche über Projekte in den Pausen. © Marco Finsterwald / SNSF

Veränderung beginnt bei sich selbst

Markus Fischer schloss mit einer persönlichen Beobachtung: «Ich habe über die Jahre festgestellt, dass Forschungsprogramme, die darauf abzielen, Menschen zu verändern, vor allem eine Zielgruppe am meisten verändern – nämlich die Menschen, die am Programm beteiligt sind.» Sein Versprechen an die Anwesenden: «Sie alle werden sich in diesem Prozess verändern. Und ich denke, zum Besseren.»